Sprache fasziniert mich seit ich denken kann. Ich habe es schon als Kind geliebt, Menschen so ganz anders reden zu hören, als meine Eltern es mir beigebracht hatten. Denn es gab auch Familien aus anderen Ländern, die in unserer Stadt lebten, und die unterhielten sich miteinander in ihren Heimatsprachen: Türkisch, Kroatisch, Rumänisch, Italienisch und Portugiesisch.
Ich hörte aufmerksam zu, wenn diese für mich fremdartigen Laute erklangen. Es war, als öffnete sich dann für einen kurzen Moment ein Fenster zu einer neuen Welt, das sich unweigerlich wieder schloss, sobald das Gespräch zum Ende kam oder die Sprecher außer Hörweite gerieten. Diese Erfahrungen versetzten mich in eine merkwürdige Spannung: Die Sprachen, die ich hörte, waren für mich unerreichbar fern, das war mir klar. Gleichzeitig verspürte ich auch eine große Sehnsucht. Ich wollte in diese ganz andere Kommunikationswelt eintauchen, meine eigene Stimme einbringen, einstimmen.
Das Pfingstfest, das in der Kirche fünfzig Tage nach Ostern gefeiert wird, hat seine Ursprünge in einem Sprachwunder, wie ich es mir als Kind – nur viel kleiner und überschaubarer – so oft gewünscht habe. Eine biblische Geschichte erzählt davon: Die engsten Begleiter von Jesus werden durch Gottes wunderbares Eingreifen zu wahren Sprachgenies.
„Da strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt“, erzählt die Bibel, „denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. (…) Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.“
Manchmal beneidete ich die derartig Beschenkten um diese übermenschliche Gabe. Und heute finde ich immer noch, eine andere Sprache zu können, ist ein großer Reichtum. Aber mehr als auf die Sprachkenntnisse kommt es auf Großzügigkeit an. Was, wenn ich meine positiven Eigenschaften und Fähigkeiten einfach verschwenden würde, sie frei anbieten würde, ohne Gegenleistung zu erwarten? Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass Sprachbarrieren dann viel niedriger und schmaler werden, nicht nur zwischen Menschen, die aus verschiedenen Ländern kommen.