Die Bilder sind kaum zu ertragen – ein Soldatenfriedhof in Lwiw, in der Ukraine. Ein schier endloses Meer von ukrainischen Flaggen, frischen Kreuzen und Fotos junger Männer. Allesamt durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine aus ihrem Leben gerissen. Und aus dem Leben ihrer Angehörigen. Junge Witwen, Soldatenmütter, Soldatenkinder sind tagaus, tagein auf diesem Friedhof. Sie pflegen die Gräber, pflanzen Blumen, sitzen einfach nur da. Weinen, schweigen oder sprechen mit ihren Toten. Oder küssen nach osteuropäischer Sitte die Fotos der Toten.
Auch etliche Priester in schwarzen Gewändern laufen zwischen den Gräbern auf und ab. Sind da für die verzweifelten Angehörigen. Beten mit ihnen, sprechen mit ihnen über ihre Toten. Manchmal gibt es keine Worte mehr, dann nehmen die Priester sie einfach in den Arm. Die Tränen dürfen fließen.
Unter den Priestern ist häufig auch Volodymyr Hruza, der Weihbischof von Lwiw, einer der ranghöchsten Geistlichen des Landes. Er weiß nicht mehr, wie viele Soldaten er schon beerdigen musste, sagt er einer Zeitung. Er ist schon froh, wenn es nur einer am Tag ist. Und doch sagt er: Die Beerdigungen seien ein Triumph des Lebens! Denn sie sind ein erster Schritt auf dem Weg zur Heilung, sagt der Weihbischof. Es gibt jetzt einen Ort, wo die Angehörigen ihre Trauer hintragen können.
Zu den Beerdigungen kämen immer auch sehr viele junge Leute, Kinder und Jugendliche. Sie wollen ihr Mitgefühl ausdrücken, ihre Solidarität zeigen und dem Toten ihre Dankbarkeit. Die jungen Leute stünden für die Zukunft der Ukraine, sagt Hruza. Sie wollen leben!
Jede einzelne Beerdigung ist auch für Volodymyr Hruza sehr schwer. Und doch fühlt auch er selbst sich durch die Beerdigungsfeier gestärkt. Wenn er sieht, wie stark die Menschen trotz aller Trauer sind. Wie sie ihren Schmerz aushalten. Wie sie sich gegenseitig halten und trösten. Das ermutigt auch den Weihbischof, jeden Tag weiterzuleben, jeden Tag zu nutzen, um etwas Gutes und Sinnvolles zu tun, mitten in der Hölle. Das Leben ist stärker als der Tod.