Vordrängeln verboten. Wer kennt sie nicht: Menschen, die sich überall vordrängeln müssen. Schon im Freibad haben wir dies erlebt, wenn Kinder sich an der Rutschbahn einfach vorgedrängelt haben. Und selbst bei Reisen mit Senioren habe ich erleben müssen, wie sich manche beim Einsteigen in den Bus vordrängeln mussten, um ja ihre gewünschten Plätze zu besetzen.
Jedes Jahr werden wir in der Passionsgeschichte Jesu an eine Frau erinnert, die sich durch die Reihen hindurchdrängelt. Dabei handelt es sich nicht nur um ungeduldige Reiseteilnehmer oder ausgelassene Kinder. Es sind Soldaten, die einen Mann zur Hinrichtung treiben.
Veronika hält ein Schweißtuch in der Hand, und mit diesem trocknet sie das Gesicht des Herrn ab.
Interessant ist für mich schon einmal die Tatsache, dass diese Begebenheit nicht in der Hl. Schrift festgehalten ist. In der Tradition aber und damit in den Herzen der Menschen hat sie ihren festen Platz. Als Station auf dem Leidensweg Jesu ist sie von vielen Künstlern gemalt worden, und bei den Passionsspielen darf sie nicht fehlen.
Was mich immer wieder beeindruckt an dieser Frau ist zunächst ihre Aufmerksamkeit. Während die Menge schreit und tobt, bemerkt sie mit wachen Augen die Leidenssituation Jesu. Und in einfühlsamer Weise erkennt sie, was wirklich nötig ist.
Doch ebenso bewundernswert ist ihre Entschlossenheit. Ohne viele Worte zu machen, drängt sie sich durch die Reihen der bewaffneten Soldaten. Sie fragt auch nicht, was die anderen denken. Sie tut, was sie kann und trocknet das Antlitz des Herrn.
Auch heute gibt es viele Menschen, die ein schweres Kreuz tragen müssen: Krankheiten, Arbeitslosigkeit, eine zerbrochene Freundschaft oder Beziehung. Und zum Glück gibt es auch heute Menschen wie Veronika, die sich nicht an das Verbot zu drängeln halten. Das Kreuz können sie mir zwar nicht abnehmen, aber durch ihre Aufmerksamkeit und Entschlossenheit das Tragen sicher etwas leichter machen.