09.12
2024
06:50
Uhr

Zeit neu erleben

Wie bewusste Unterbrechungen unser Zeitempfinden verändern können

Ein Beitrag von Magdalena Kiess

Seit einigen Jahren verstehe ich auf einmal einen Satz der Alten, den ich früher nur belächelt habe: „Wie schnell die Zeit vergeht.“ Tia, plötzlich ist schon fast wieder Weihnachten! War das nicht erst kürzlich? Und war nicht gerade eigentlich noch Sommer? Mein Körper jedenfalls hat sich noch nicht an die kalten Temperaturen, den eisigen Berliner Wind und die kurzen Tage angepasst. 

Passend dazu bin ich auf eine Studie gestoßen: Tatsächlich haben wir, je älter wir werden, das Gefühl, dass die Zeit schneller vergeht. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich unser Zeitempfinden dann verlangsamt, wenn wir was neues erleben oder lernen. Machen wir jeden Tag das Gleiche, verfliegt die Zeit. Das ist paradox: Einerseits hört man ständig, dass Routinen so wichtig sind und uns entlasten. Andererseits können sie wohl auch dazu zu führen, dass wir unseren Alltag nicht so bewusst erleben, wie wir das noch als Kinder getan haben. Wie gut, dass es immer wieder natürliche Zäsuren im Jahr gibt, die frischen Wind reinbringen.

Die Adventszeit kann so eine Zeit sein. Sie kommt zwar jedes Jahr, ist also quasi Routine, aber sie kommt dann doch irgendwie immer wieder überraschend – und ist erschreckend stressig für die Meisten. Dabei ist sie als echte Zäsur gedacht. Als eine langsame Zeit der Stille und Bewusstheit. Eine Zeit des Hinhörens. In der Kirche beginnt mit der Adventszeit ein neues Kirchenjahr. Früher war die Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten auch eine Fastenzeit. Also ein Prozess, den bisherigen Lebensstil zu reflektieren und für etwas Neues im Leben Platz zu machen. Ich glaube, solche Unterbrechungen werden immer wichtiger. Sie können unseren Blick dafür schärfen, wie wir unsere Zeit wirklich verbringen möchten. Und wenn sie noch so schnell an uns vorbeirauscht: Ich glaube, sie steht so oder so in Gottes Händen.